Wie wichtig eine funktionierende Wasserversorgung ist, vergisst man in unseren Breitengraden schnell. Unbegrenzte Wasserverfügbarkeit in höchster Qualität ist bei uns die Normalität.
Im Kontrast dazu steht unser Projektland Haiti: In ländlichen Regionen verfügt das Land über eine dezentrale Wasserversorgung mittels lokalen Quellen, jedoch stellen neben der mangelnden Qualität des Wassers auch die starken Schwankungen in der Verfügbarkeit der Wassermenge ein großes Problem dar. Die ausgeprägten Regen- und Trockenperioden verstärken diesen Effekt zusätzlich.
Wasseraufbereitung hat bei EWB Haiti Tradition. Seit 2011 beschäftigt sich das Team mit Regenwasserspeicherung und Filtration zu Trinkwasserqualität. Die erste Anlage wurde in einer Schule in der Hauptstadt Port-au-Prince (siehe Meva-Projekt) 2014, nach einer einjährigen Pilotphase, erfolgreich in Betrieb genommen. Sie versorgt inzwischen über 300 Schulkinder auch über die Trockenzeit hinweg und umfasst einen 75.000 l großen Trinkwasserspeicher sowie einen 15.000 l großen Brauchwasserspeicher. Durch einfachste Sandfiltertechnik und Zirkulation ist es uns gelungen, eine erstklassige Wasserqualität zu erreichen, welche bis heute sichergestellt ist.
Auf dem Schul- und Waisenhausgelände in unserem Projektort Beaumont existiert aktuell kein Puffersystem für Wasser, um Engpässe zu überbrücken. Des Weiteren besteht noch keine Möglichkeit, Regenwasser in den benötigten Mengen als Trinkwasser aufzubereiten. Voraussichtlich wird die Zahl der Waisen- und Schulkinder, die auf dem Gelände leben und auf Trinkwasser angewiesen sind, in den nächsten Jahren zunehmen. Zudem sind aufgrund des Klimawandels in naher Zukunft extreme Trockenperioden anzunehmen.
Aus diesen Gründen haben wir uns zum Ziel gesetzt, ein autarkes Wassersystem aufzubauen, um eine ganzjährig sichere Versorgung mit Trinkwasser zu gewährleisten. Innerhalb der Projektgruppe Haiti sind wir ein Team von 11 Leuten, das sich im Wasser-Ressort ausschließlich mit der Frischwasserversorgung auseinandersetzt. Dafür wurde in Teamarbeit über einen Zeitraum von inzwischen mehreren Jahren ein komplexes Konzept zur Wasseraufbereitung ausgearbeitet:
Zu Beginn des Wasseraufbereitungsprozesses steht die Sammlung von Regenwasser, das in zwei je 75 m3 großen Zisternen gespeichert wird. Dies entspricht einem Volumen von 75.000 l pro Zisterne und damit jeweils 500 gefüllten Badewannen. Mittels einer Pumpe wird das Wasser zunächst 12 m höher auf einen nahe gelegenen Berg transportiert, um im Anschluss ohne weitere Energiezufuhr die Aufbereitung zu sauberem Trinkwasser durchlaufen zu können. Diese besteht aus Lamgsamsandfiltern und der sogenannten PAUL-Station (Portable Aqua Unit for Life Saving). Sie setzt sich aus drei tragbaren Geräten zusammen, die mit feinen Membranfiltern das Wasser reinigen. An dieser Stelle möchten wir herzlichst dem Hilfswerk der Deutschen Lions für die Spende von drei PAULs sowie dem Rotary Club Freudenstadt für einen weiteren PAUL danken.
Um ein Umkippen des Wassers zu vermeiden, wird jeweils im Anschluss an beide Filtervorgänge ein Teil des Wassers in die Zisterne zurückgeführt, sodass das Wasser nicht über Wochen unbewegt in der Zisterne steht. Durch das Rückführen des Wassers wird ermöglicht, dass mit der gespeicherten Menge die Trockenperioden überbrückt werden können. Mit diesem ausgeklügelten System können täglich 1.800 Liter Trinkwasser für die 400 Waisen- und Schulkinder, sowie Betreuer bereitgestellt werden.
Zusätzlich zu der Wasseraufbereitung gibt es weitere Herausforderungen wie das Verteilen des Trinkwassers auf dem gesamten Gelände und der Aufbau der Gebäude-Infrastruktur für die Frischwasserversorgung. Zudem müssen auch die Mitarbeiter des Waisenhauses von uns in der Anlagenwartung geschult werden. Nur so kann die langfristige Funktion des gesamten Systems garantiert werden.
Der Umfang dieses Wasseraufbereitungsprojekts lässt sich anhand der Gesamtkosten von 96.000 € sowie der geplanten Umsetzung von vier Bauphasen à 3 Monaten erkennen. Dass die Realisierung dieses Konzeptes in der Größe überhaupt möglich ist, haben wir mehreren Rotary Clubs unter der Federführung unseres neuen Schirmherrn Prof. Dr. Hans Mehlhorn des Rotary Clubs Stuttgart-Weinsteige zu verdanken. Dank einer unkomplizierten Zusammenarbeit konnte bereits im vorhinein die gesamte Finanzierung des Konzeptes gewährleistet werden, wodurch uns eine große Planungsfreiheit und Sicherheit gegeben ist. Wir freuen uns darauf das entgegenbrachte Vertrauen in die Umsetzung zu stecken.
In der kommenden Bauphase wird mit der Baugrube für die Zisterne begonnen und somit der Spatenstich für unser Wasseraufbereitungskonzept gesetzt. Das Projekt soll in einem Zeitraum von zwei Jahren vervollständigt werden.
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Liebes Projektteam,
wieder einmal sehr beeindruckend und gut erklärt, so daß auch Laien wie ich alles gut verstehen können.
Immer wieder gut, ins Bewusstsein zu rücken, daß sauberes Trinkwasser, bei uns jederzeit und selbstverständlich
in guter Qualität aus dem Wasserhahn erhältlich ist, in anderen Regionen wie z.B. Haiti mühsam aufbereitet und
gespeichert werden muß.
Wieder großen Respekt vor eurem Bauvorhaben, gutes Gelingen und vielen, vielen Dank!!!
Freu mich immer über eure Infos un die Fortschritte auf den Baustellen mit zu verfolgen.
Liebe Grüße aus Lahr an euch alle Annette Büchele
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Ich bin Sozialwissenschaftler und fand Ingenieure eigentlich immer ziemlich doof. Das hat sich mit Eurer Arbeit in Haiti, und wie ihr diese kommuniziert aber sowas von geändert. Ihr habt meine allergrößte Hochachtung.
Herzliche Grüße aus Lahr
Manfred sickmann