Beaumont
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Dezember 2014

30

Haiti

Beaumont

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Dezember 2014

30

Haiti

Beaumont

Wer sind wir? Wie arbeiten wir? Was machen wir? Wieso Haiti – Beaumont? Weshalb sind wir so motiviert? Warum? Weil…

Wenn du erst kürzlich auf uns gestoßen bist oder du dir einen Umriss von unserem Projekt wünschst bevor die nächste Bauphase beginnt, dann bist du hier genau richtig. Unser Mitglied Jana Bauert erzählt von ihren Erfahrungen, unserer Motivation und Aufgaben in Deutschland und vor Ort in Haiti. Sei gespannt und tauche ein:

„Wenn morgens früh noch vor Sonnenaufgang um 5 Uhr der Wecker klingelt und man gerne aufsteht, weiß man, dass man zur richtigen Zeit am richtigen Ort ist. Ein ganz besonderes Gefühl, das mich in Haiti täglich begleitete. Der „richtige Ort Haiti”, mag für viele paradox klingen. Da kommt gerne mal die Frage, was machst du in Haiti?

Vor gut drei Jahren bin ich zur Hochschulgruppe “Engineers Without Borders – Karlsruhe Institute of Technology e.V.” gekommen. Ein gemeinnütziger Verein, der weltweit Entwicklungszusammenarbeit in den unterschiedlichsten Bereichen betreibt. Ich bin zu unserem Projekt Beaumont – Haiti gekommen, weil ich Menschen helfen wollte, die öfters mal vergessen werden. Dafür schien mir unser Projekt genau das Richtige. In einem kleinen Bergdorf namens Beaumont, siedeln wir eine Schule und ein Waisenhaus um. Aufgrund der Verwüstung durch den Hurrikan Matthew 2016 und gleichzeitig auch dem Neubau der Nationalstraße, direkt vor dem alten Gelände, musste ein neues Domizil für die Schüler und Waisenkinder gebaut werden. Mit dieser Entscheidung wendete sich unsere deutsche Partnerorganisation Pwojè Men kontre vor ungefähr fünf Jahren an uns. Und so kam eines zum anderen.

Von Deutschland aus planen, berechnen und diskutieren wir die unterschiedlichsten Möglichkeiten für Klassenräume, Wohnhäuser, Aula, Kantine und viele weitere Gebäude. Wir wollen den Kindern in Haiti, in Beaumont, ein sicheres Zuhause bieten. Wir wollen ihnen Perspektiven schenken, die für jeden von uns selbstverständlich sind. Doch in Haiti bedeutet das nicht nur Zugang zu ausreichendem Trinkwasser, Licht in der Nacht und Bildung als Grundlage zu schaffen. Nein. In Haiti bedeutet das vor allem auch jedes Gebäude erdbeben- und hurrikansicher auszulegen. Ein Grundsatz für uns, um Nachhaltigkeit in diesem Land überhaupt erst möglich zu machen. Dabei orientieren wir uns nicht nur an den deutschen und europäischen Grundlagen, sondern auch am Haiti Code, einem haitianischen Regelwerk.

Steht die Theorie soweit, ist die Ausführung ein neues, Fragen aufwerfendes Kapitel. Anders als in Deutschland, sind in Haiti nicht alle Baumaterialien per Anruf oder Mausklick zu bestellen. Was müssen wir aus Deutschland mitbringen? Was bekommen wie vor Ort? Fragen die vor jeder Bauphase auf das Neue geprüfte werden müssen.

Und wenn es soweit ist. Wenn das Erste Team jeder Bauphase fliegt, steigt die Aufregung in jedem von uns drastisch an. Klappt alles wie wir es geplant haben?

Ich selbst durfte erleben, dass diese Aufregung noch viel intensiver ist, wenn man zu dem Bauteam zählt.

In Haiti angekommen wurde mir schnell klar, dass die Welt hier anders tickt. Wenn der Straßenbelag vor lauter Müll nicht zu erkennen ist, wenn die Menschen zu dem einen Brunnen  im Dorf laufen müssen, um Wasser zu holen, oder wenn ein ganzes Dorf im Schatten der Nacht verschwindet, weil sich Strom hier keiner leisten kann, dann spielt es keine Rolle mehr, ob du drei Mal das gleiche Shirt trägst, dein Handy nicht voll aufgeladen ist oder das Mindesthaltbarkeitsdatum schon seit zwei Tagen abgelaufen ist. Hier ist der Alltag und die Sorgen von viel grundlegenderen Problemen geprägt.

Ich erinnere mich gut an den einen Tag an dem ich abends im Bett lag und Durst hatte. Meine Wasserflasche war bereits leer, genau wie unsere Wassergallone für unser Team. In meinem Kopf bin ich jeden Raum in unserem kleinen Häuschen durchgegangen mit der Frage, gibt es hier Leitungswasser, das ich trinken kann? Doch die Antwort war jedes Mal “Nein”. Zum ersten Mal in meinem Leben, hatte ich einen Durst verspürt, den ich – egal wie sehr ich wollte – nicht löschen konnte. Für mich war dies einer der Aha-Momente in dem mir die Notwendigkeit und der Sinn unsere Arbeit noch bewusster wurde. Doch es war noch lange nicht der einzige.

Jeden Tag nach Feierabend, wenn wir unsere Geräte in den Werkzeugraum zurückbrachten, kamen uns die Waisenkinder entgegen. Kinder, deren Eltern verstorben sind, die zum Arbeiten zu Verwandten in die Stadt geschickt werden sollten oder Kinder, deren Eltern sie im Baby-Alter in einem versteckten Raum zurückließen, weil sie nicht für ihre Tochter oder ihren Sohn aufkommen konnten. Diese Kinder kamen mit einem Lächeln und Neugierde im Gesicht auf uns zu, das für jeden von uns bewundernswert war. Auf einmal vergisst man, seine müden Muskeln, die Wunde am Bein oder die Schmerzen im Rücken. In dem Moment sind alle Sorgen vergessen und die Energie weiterzumachen wird aufgetankt. Denn wir wollen den Kindern eine Zukunft schenken, in der sie ihren Durst löschen können. Wir wollen, dass sie selbstständig werden, ihr eigenes Haus bauen können oder ihren Kindern beim Großwerden zuschauen können.  Eigentlich wollen wir einfach nur, dass sie dieselben Chancen haben, die für uns selbstverständlich sind.

Mit dieser Motivation arbeiten wir Tag für Tag auf der Baustelle. Baustellenarbeit ist immer anstrengend. In Haiti aber auf seine eigene Art.  Hier betonieren wir mit dem kleinen Betonmischer, in den wir Eimer für Eimer Kies, Sand und Wasser reinschütten, mischen und anschließend mit dem Eimer oder Schubkarren zur Schalung tragen. Fundamente werden in den meisten Fällen mit Hand ausgegraben und die Mauersteine macht der Haitianer direkt vor Ort. Die Dachbinder werden per Hand auf zwei Meter Wandhöhe hochgehoben und kurz in den Baumarkt fahren, um fehlendes Material zu holen, entspricht hier einem Tagesausflug. Doch auch das Wetter gibt dem Baustellenalltag einen anderen Charakter.  Innerhalb von Sekunden bricht in der Regenzeit ein Regenschauer aus, bei dem eine gute, deutsche Dusche keine Chance hat. Manchmal hielten diese Wasserströme für Stunden an. Ein anderes Mal war es nach ein paar Minuten schon wieder vorbei. Selbst Regen ohne Wolke am Himmel ist in Haiti möglich. Unmöglich? Ich habe es selbst gesehen.

Mit all diesen Aufgaben und Umständen, sind wir täglich konfrontiert. Wir haben gelernt, dass gute Pläne wichtig sind, doch Flexibilität mindestens genauso. Denn in Haiti ist alles möglich. Nur nicht immer wie geplant. Aber mit guter Teamarbeit, dem Fachwissen von der Uni und ein bisschen Kreativität haben wir gelernt mit Überraschungen und sich ändernden Situationen umzugehen.

Stück für Stück nähern wir uns dem Ziel unserer Vision. Knapp fünf Jahre sind seit Projektbeginn vergangen und mittlerweile steht auf dem neuen Gelände eine Aula mit einer Photovoltaikanlage, ein Mädchenwohnhaus, zwei Latrinen, vier Vorschulhäuser, zwei Klassenräume und eine fast fertig gestellte Kantine. Das nächste Etappenziel ist die autarke Wasserversorgung und damit der Bau der zwei Zisternen und das Verlegen der Wasserleitungen. Wir haben noch einiges vor. Immer mit dem Ziel, den 75 Waisenkinder und 420 Schulkindern, ein besseres Leben und ein gutes Sprungbrett in ihr erwachsenes Leben zu bieten.

Wenn wir alle jemanden an die Hand nehmen, bleibt keiner zurück.”

1 Kommentar


  1. Liebe Jana,
    vielen Dank für Ihren Bericht. Schon über lange Zeit nehme ich Teil an dem Engagement der verschiedenen Bauteams,
    die nach Haiti reisen und dort beeindruckende Arbeit leisten. Viele Jahre hatte ich ein Patenkind dort und bin an den Entwicklungen im Waisenhaus
    und der Schule interessiert. Auch wenn die politische Lage im Moment schwierig ist, hoffe ich , daß die nächsten Baumaßnahmen
    bald wieder weitergehen können und eine Reise nach Beaumont einigermaßen sicher ist.
    Meine Hochachtung gilt dem ganzen Team , das sich so für dieses Projekt einsetzt.
    Eine gute Zeit euch allen wünscht Annette Büchele

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