Auf der Reise von Mitte November 2021 bis Ende Januar 2022 wurde eine ausführliche Zwischenevaluation des Projektes durchgeführt. Dies folgt im Zuge der Wirkungsarbeit, genaueres dazu ist auf unserer Homepage unter dem Punkt Soziokulturellen Arbeit, (https://ewb-karlsruhe.de/dr-congo/sozialkulturelle-arbeit/) zu finden. Dabei ging es um die Betrachtung der ersten Projektphase, also um die Instandsetzung des vorhandenen Kleinwasserkraftwerks.
Warum gibt es eine Evaluation?
Ziel der Evaluation war es, die verschiedenen Sichtweisen der in das Projekt involvierten Menschen kennenzulernen. Wir haben das Projekt systematisch analysiert, um herauszufinden ob die mit unseren Projektpartnerorganisationen gesteckten Ziele erreicht werden und um eine bessere Vorstellung von der Wirkung des Projektes zu erhalten. Zudem wurde gezielt gefragt, was nicht wie gewünscht läuft. Mit den gewonnenen Erkenntnissen erarbeiten wir Lösungen, um das Projekt anzupassen und zu optimieren. Das geschieht einerseits EWB-intern, aber auch in Absprache mit unseren Ansprechpersonen vor Ort.
Ablauf der Evaluation
Für die Evaluation der Wirkung des Projektes am Projektstandort und auf Idjwi zogen wir verschiedene Quellen heran: Fragebögen für Angestellte und Betriebsleitende, die in Form von Interviews ausgefüllt wurden, einen Fragenkatalog für Elie (unsere Kontaktperson bei PROLASA) und die Projekttagebücher der reisenden EWB-Gruppe. Zudem soll die Wirkung des Projektes auf die EWB-Mitglieder evaluiert werden.
Grenzen der Evaluation
Uns ist bewusst, dass die Aussagekräftigkeit der Evaluation ihre Grenzen hat und sich während des gesamten Prozesses Fehler entstanden sein können. Eine mögliche Fehlerquelle kann eine Befangenheit der befragten Personen und Wahrnehmung von Hierarchien sein. Außerdem können unter anderem bei der Übersetzung, der Zusammenfassung und der Interpretation aus unserer Sichtweise Fehler entstanden sein.
Einzelne Ergebnisse
Ein für das Projekt sehr direkter Indikator, den wir auch abseits von größeren Evaluationen verfolgen, ist die Leistung und Zuverlässigkeit des Wasserkraftwerks. Hier war es spannend, während der Evaluation die Einschätzungen von mehreren Personen zu hören und auch, wie die vorhandene Energie genutzt wird.
Im ersten Jahr nach der Bauphase 2018 war die Zuverlässigkeit des Wasserkraftwerkes (WKW) sehr hoch. Es konnte nahezu durchgehend eine Leistung von 18 kW – 20 kW abgerufen werden. Dadurch war beispielsweise die Nutzung von Inkubatoren möglich. In den folgenden Jahren war ein deutlicher Leistungseinbruch zu verzeichnen.
Bei der Frage, ob die wirtschaftliche Erhaltung des WKW sichergestellt sei, erhielten wir verschiedene Antworten. PROLASA schätzt ein, dass der Erhalt des WKW gewährleistet ist, wenn es zuverlässig funktioniert. Die Arbeit in den Betrieben ist sichergestellt, wodurch PROLASA ein regelmäßiges Einkommen generieren kann, mit dem die Betriebskosten des WKW gedeckt werden können. Dementgegen spricht jedoch die Aussage von Angestellten, dass PROLASA mit kostenlosem Strom ohne Betriebskosten rechnet. Da bisher kein Wartungsplan für das aktuelle WKW existiert, kann momentan schwer abgeschätzt werden, wie viel in die Wartung und Instandhaltung investiert werden muss. Der Wunsch nach einem Wartungsplan wurde in den Gesprächen auch direkt geäußert. Zusätzlich haben wir den Eindruck, dass bei der Beschaffung von Ersatzteilen zögerlich gehandelt wird. In einem Gespräch mit PROLASA möchten wir in naher Zukunft weitere Möglichkeiten besprechen. Dabei ist es uns sehr wichtig eine gemeinsame Lösung zu finden, damit die Wartung und Deckung der Betriebskosten des WKWes sichergestellt sind.
Wir freuen uns, dass wir bei der Evaluation viele Hinweise darauf gefunden haben, dass dieses Projekt von den Menschen vor Ort nicht als EWB-Projekt betrachtet wird. Oft bezeichneten die Menschen es als ein Projekt von PROLASA und einer Person war EWB auch gar nicht bekannt. Natürlich sehen wir uns als mitwirkend bei dem Projekt und wollen uns auch nicht verstecken, doch für die langfristige Nutzung des WKWs sehen wir es als wichtig an, dass die lokale Bevölkerung sich mit dem WKW identifiziert und anfallende Wartungen selbst durchführt. Außerdem wurde von allen beteiligten EWBler*innen schon von Projektbeginn an das Ziel verfolgt, dass lokale Interessen und ein lokal initiiertes Projekt unterstützt werden soll, anstatt von außen „Lösungen“ zu liefern, ohne tiefgehenden Einblick in die Lebenssituation von Ort zu haben.
Ein weiterer Erfolg sind die neu geschaffenen Arbeitsplätze und –felder. In Zusammenhang mit dem WKW und der dadurch entstandenen Perspektiven konnten neue Tätigkeitsfelder, wie zum Beispiel Schweißen, Metallverarbeitung, ein neues System der Wasseraufbereitung und die Reparatur elektronischer Geräte, von PROLASA erschlossen werden. Das erlernte Wissen wird durch Ausbildungsmöglichkeiten auf dem Industriecampus weitergegeben. Auch Personen, die nicht von Idjwi kommen, nehmen die Bildungsmöglichkeiten wahr. Es besteht zusätzlich die Möglichkeit, dass Menschen, die auf dem Industriecampus eine Ausbildung gemacht haben, anschließend an einem anderen Ort einen Betrieb eröffnen, in dem sie wiederum eine Ausbildung anbieten. Dadurch besteht die Chance, dass weitere Bildungsmöglichkeiten an anderen Orten und nicht nur auf der Insel entstehen.
Des Weiteren sind auch Auswirkungen auf die schulische Bildung vor Ort spürbar. Denn die Menschen nehmen den Industriecampus als Chance wahr und dadurch steigt die Motivation, die Bildungsangebote von PROLASA wahrzunehmen. Denn erst mit einem Schulabschluss können die Menschen auf dem Industriecampus als Auszubildende anfangen.
Bei der Evaluation wollten wir zudem Einblicke erhalten, wie Menschen in der Region das Projekt und die beteiligten Organisationen wahrnehmen. Insgesamt werden PROLASA und der Industriecampus tendenziell positiv referenziert. Allerdings äußern die Menschen auch Unzufriedenheiten. Ein Beispiel dafür ist, dass die Häuser außerhalb des Industriecampus nicht an das Stromnetz angeschlossen sind.
Auf lange Sicht sind Dieselgeneratoren keine Alternative mehr. Jedoch muss für einen vollständigen Verzicht auf diese die Zuverlässigkeit des WKW verbessert und erhöht werden. Die autarke Stromversorgung trägt zur wirtschaftlichen Entwicklung des Campus bei. Das erhöht das Interesse an ihm und den umliegenden Dörfern und es entstehen Möglichkeiten zur Zusammenarbeit zwischen den Betrieben auf dem Campus und den Menschen in der Nähe.
Diskussionspunkte
Bei der Evaluation kamen drei Themen auf, die wir näher betrachten und Gespräche darüber führen wollen, da wir Verbesserungsbedarf sehen und Problematiken angehen oder vorbeugen möchten.
Bei der Wartung des Wasserkraftwerkes wurde erneut deutlich, dass es noch nicht ganz rund läuft. So müssen zum Beispiel die Lager sehr oft ausgetauscht werden. Zusätzlich verstärkt wird der Effekt, da teilweise falsche oder qualitativ schlechte Ersatzteile benutzt werden. Grund dafür sind verschiedene Faktoren, z.B. dass die Turbine selbst gebaut ist und deshalb die Spezifikationen nicht bekannt sind oder dass Fake-Lager verkauft werden. Zugleich kommt ein hoher Zeitdruck bei Reparaturen hinzu. So gibt es einige Fragen, die wir nun gemeinsam mit unseren Projektpartnerorganisationen durchdenken: Wie stellen sich die Beteiligten die zukünftige Wartung des Wasserkraftwerkes vor, damit es nachhaltig funktionieren kann? Wie ist es möglich, dass es ohne finanzielle und technische Unterstützung von EWB läuft?
Auch den Bereich der Arbeitssicherheit haben wir genauer betrachtet. Vor allem bei Menschen in Leitungspositionen ist Wissen bezüglich der Gefahren und Risiken von Strom vorhanden. Um noch mehr Menschen darüber zu informieren, wurden schon einige Maßnahmen zur Weiterbildung umgesetzt. Allerdings ist dies noch ausbaufähig und zudem wurden von allen Befragungsgruppen Gefahrenstellen von elektrischem Strom auf dem Industriecampus ausgemacht. In unserem Team wurden deshalb folgende Fragen diskutiert: Wie stark möchten wir uns in das Thema Arbeitssicherheit einmischen? Was fordern wir zum Beispiel auf unseren Baustellen ein und wie kommunizieren wir das am besten mit den Menschen vor Ort? Wir differenzieren dabei zwischen der Arbeitssicherheit auf den EWBaustellen und in den Betrieben des Industriecampus. Bei ersterem möchten wir in jedem Fall Maßnahmen ergreifen, um Risiken zu minimieren. Bezüglich der Arbeitssicherheit in den Betrieben bleiben wir weiterhin im Team und mit PROLASA im Gespräch, inwieweit wir sie in diesem Arbeitsbereich unterstützen können.
Zur wirtschaftlichen Situation äußerten sich die Befragten unterschiedlich. Einige sind zufrieden mit ihrem Lohn, andere beschreiben zu niedrige oder ungleichmäßige Zahlungen (zum Beispiel während der Trockenzeit). Außerdem ist deutlich geworden, dass die Bezahlung von der Produktionsmenge und damit von der Leistung des Wasserkraftwerkes abhängt. Natürlich ist es problematisch, wenn Angestellte das Gefühl haben einen zu niedrigen Lohn zu bekommen. Doch liegt es in unserem Kompetenzgebiet, die Bezahlung der Menschen zu beurteilen? Und sollten wir uns in das Verhältnis zwischen Arbeitgebenden und Arbeitnehmenden vor Ort einmischen? Beide Fragen beantworten wir mit nein, da wir den Arbeitsmarkt vor Ort nicht ausreichend kennen. Trotzdem haben wir uns in einem Gespräch mit PROLASA nochmal über ihre Einschätzung diesbezüglich unterhalten und erfahren, dass sie sich dieser Problematik bewusst sind. Unter anderem wurde erwähnt, dass Personen auch direkt auf sie zukommen und insgesamt geschaut wird, wie die Organisation bestmöglich mit ihren begrenzten Mitteln handeln kann.
Fazit und Ausblick
Das gemeinsame Wasserkraftwerk-Projekt ist lokal eine große Chance zur Weiterentwicklung in verschiedenen Aspekten, von der wirtschaftlichen Situation bis hin zur Bildung. Uns sind die damit kommenden Herausforderungen bewusst und wir arbeiten daran, Lösungen für die uns aufgefallenen Probleme zu finden. Durch den Bau eines größeren WKWs in der zweiten Projektphase steht eine größere Leistung zur Verfügung, durch die auf dem Industriecampus weitere wirtschaftliche und bildungstechnische Möglichkeiten entstehen können. Wir sind in stetigem Austausch mit den Menschen vor Ort, denn es ist uns sehr wichtig, den Menschen nicht unsere Vorstellungen aufzudrücken, sondern mit ihnen zusammenzuarbeiten. Mit der Evaluation haben wir einen detaillierten Einblick in die Wirkung des Projektes erhalten und die Ergebnisse können nun zur Anpassung unserer Arbeit genutzt werden. Wir sehen dieses Instrument in der Projektarbeit daher als sehr wertvoll an und möchten dies in Zukunft weiterhin nutzen.